Immer wenn wir Eltern fragen, warum sie Hilfe benötigen, warum und wie sie es denn bisher geschafft haben und warum es jetzt nicht mehr geht, wird sofort das neue Schulgesetz genannt, die neuen Bildungspläne. Bisher ging es irgendwie, öffentliche Schulen waren leistbar, immer mal wieder musste man einem Lehrer was direkt zahlen, aber man hat es geschafft.  Aber jetzt? Mit mehreren Kindern? Und wir reden nicht nur von Highschool, es fängt schon in den unteren Volksschulklassen an.

Was heißt denn neue Schulordnung, neue Lernpläne? Und was daran ist so teuer?

Ich hab es ja oft erzählt und geschrieben, Kenia hat in einer Kraftanstrengung vor einigen Jahren das gesamte alte Schulsystem über den Haufen geworfen und durch ein neues ersetzt. Mit einem Satz könnte man flapsig sagen – weg vom britischen, hin zum amerikanischen. Im alten System ging es um – alle lernen das Gleiche und werden in den gleichen Fächern gleich bewertet. Und wenn jemand irgendwo besonders begabt ist, aber schlecht in einem anderen Fach, Pech. Und niemand hat sich auch die Mühe gemacht, überhaupt mal heraus zu finden, wo denn die Begabung liegen könnte, denn dazu muss man auch viele Dinge anbieten, Türen öffnen, Tisch decken, damit Kinder sich ausprobieren können.

Nun, das ist jetzt geschehen, wir schreiten 2024 bereits ins 8. Jahr, also Klasse 8 formiert sich im neuen System. Und bei uns in der Vonwald-Schule kämpfen wir natürlich auch, alle neuen Anforderungen zu erfüllen, der Unterschied ist nur – wir haben viele Jahre vorher bereits ganz viel davon freiwillig angeboten, was heute verpflichtend ist. Und – wir müssen dazu nicht Eltern zur Kasse bitten, die an sich schon nichts haben. Denn was wir zunehmend sehen ist, dass auch Kinder aus Elternhäusern mit zwei arbeitenden Eltern sich Schule nicht mehr leisten können.

Was sind zum Beispiel solche neuen Kosten?

Früher hat eine Schule gelegentlich einen Ausflug gemacht, staatliche nie, private manchmal. Freiwillig. Heute sind Ausflüge für alle Klassen jedes Jahr verpflichtend. Schon ab Kindergarten sind Ausflüge verpflichtend. Und müssen dokumentiert werden.

Früher gab es in der Schule Fußball. Aus. Heute wird von Schulen verlangt, mindestens zwei bis drei Sportarten „vernünftig“ anzubieten, also entsprechendes Equipment und ausgebildete Trainer.

Schwimmen, hatte früher niemand am Schirm (außer uns, aber eben freiwillig), jetzt ist es verpflichtend. Na wer wird wohl die Poolmiete und den Trainer bezahlen? Die Schule aus dem Budget? Sicher nicht.

Es sollen Musik und Kunst angeboten werden, vielfältig. Also mindestens ein Instrument, verschiedene Mal-Techniken, Handarbeiten, Haushaltsführung.

Und auch – fast alle Lehrer brauchen Nachschulungen. Allein für das Problem, wie finde ich denn heraus, ob jemand Talent hat? Einfach nur eine Mama, die lesen und schreiben kann, in den Kindergartenklassen praktisch mal den Anfang machen lassen, das geht zurecht nicht mehr. Gerade auf die frühkindliche Erziehung wird inzwischen unglaublich viel Wert gelegt.

Ich finde das persönlich alles toll und wichtig, aber ich bin der Meinung, das sollte sich dann auch der Staat leisten. Tut er aber nicht, er rührt kein Ohrwaschel. Und so sieht es dann so aus, als gäbe es Talente nur in der Oberschicht. Unter den Armen keine Sportler, keine Musiker, keine Künstler.

Dabei hat einer unserer Studenten, David, Vollwaise, manche kennen ihn schon aus meinem Podcast, gerade von allen Universitäten Kenias bei einem Bewerb Platz 1 als bester Schauspieler gewonnen und Platz 2 als bester Musical Darsteller. Weil wir es fördern und immer gefördert haben.

Gerade erfahre ich, eine der staatlichen Schulen in unserer Nachbarschaft verlangt jetzt pro Trimester in der Junior High umgerechnet 45 Euro. Das ist für so manchen Tagelöhner ein Monatseinkommen. Das Ganze 3mal im Jahr, dazu Bücher, Materialien, eben alle die Extras, die ich oben erwähnt hab, Schuluniform usw.

Wir könnten uns jetzt zurück lehnen und sagen, tja, schaffen wir auch nicht mehr, warten wir mal, was sich der Staat in den nächsten 10 Jahren so einfallen lässt. Aber wollen wir das? Sind wir dafür angetreten, etwas zu verbessern? Und die Kinder, die heute Hilfe brauchen, sind in 10 Jahren, bis sich der Staat meldet, bereits zornige junge Menschen, die nach Europa wollen.

Armut hat sich auch in Kenia verschoben. Danke an dieser Stelle an alle, die es möglich machen, dass wir bei uns tatsächlich nach Talenten suchen können.

Gabriela Vonwald

 

1 Kommentar
  1. Katharina sagte:

    Danke mal wieder für diesen guten, übersichtlichen Einblick. Es ist wirklich traurig, dass der Staat hier keinen Finger rührt, aber verlangt bis zum Umfallen. Wie gut, dass „unsere“ Kinder so viele Paten haben. Mögen noch ganz viele dazu kommen, um weiterhin so vielen Kindern wie möglich eine gute Bildung zu ermöglichen.

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