Lasst die Spiele beginnen
Kenia ist ein Land der Wettbewerbe und das schon von ganz klein auf. Und immer im ersten Trimester beginnen alle Schulen, sich auf so viele dieser Wettbewerbe vorzubereiten wie nur irgendwie möglich. Alle wollen dabei sein und sich messen.
Zunächst muss man dazu wissen, dass schon immer, mehr aber noch mit dem kompletten Neubau des Schulsystems, Sport und Kunst (Performing Arts) einen sehr sehr hohen Stellenwert in Kenia haben. Es gilt, Talente zu entdecken und diese auch zu fördern. Eine gute Schule identifiziert sich hier auch über die Pokale, die sie in der einen oder anderen Sportart, in kulturellem Tanz oder Theater, in Vers rezitieren oder Trommeln erreicht. Und Sport ist in allen Köpfen, egal ob Mädchen oder Buben, auch Erwachsene machen irgendeinen Sport. Unsere Mitarbeiter nutzen unseren Basketballplatz am Abend nach der Arbeit, jetzt unseren Pool, machen untereinander Wettbewerbe, selbst wenn alle am nächsten Tag Muskelkater haben.
Und das beginnt schon bei den Allerkleinsten, 4 und 5 Jahre alt.
Man macht zur Vorbereitung das ganze Jahr über einfach Freundschaftsspiele, dann geht es los.
Voraussetzung ist immer, dass sich die Schule am Beginn des Schuljahres registriert. Hierzu muss der Verantwortliche für Sport und Spiel (ganz allgemein heißt die Gesamtheit von allem schlicht und einfach „games“) beim Ministerium antanzen und für alle Kinder zahlen. Nein, nicht nur für die, die teilnehmen. Auch für solche, die lieber lesend in der Bibliothek sitzen. Natürlich kommt man nicht nachzählen, ob wir nun 680 oder 640 registrieren, so ungefähr hat man die Population ja im Blick, es gibt ja ständig Inspektionen. Außerdem sind wir gute Zahler, kommen pünktlich, feilschen nicht herum, betrügen nicht, fragen nicht um Ratenzahlung. Schon das reißt uns ein Loch ins Budget, denn das kostet uns allein mal schnell 4000 Euro. (Wir haben natürlich alle Kinder aus beiden Schulen registriert)
Dann geht es los.
Man beginnt mal ganz harmlos im Bezirk (Ward – das wäre bei uns Kibaoni), wobei vom Vorjahr platzierte Schulen das auslassen dürfen und gleich auf Subcounty-Ebene beginnen. Heißt bei uns – Kilifi Nord, die ersten und zweiten kommen weiter auf County-Ebene, also gesamt Kilifi County. Von dort gehen die Besten auf Regional, heißt bei uns, die gesamte Küste. (Mich frisst übrigens der Neid, dass ich da nicht vor Ort bin, es findet diesmal in Lamu statt). Und dann – National.
Was mir hier unglaublich gefällt ist nicht nur, mit welchem Eifer Kinder und Trainer dabei sind, sondern auch, wie ernst das die ganze Schule nimmt. WIR gewinnen oder verlieren, nicht einzelne Kinder. Die Kinder bringen den Pokal für alle mit. Und wenn sie zurück kommen werden sie gefeiert, es wird getanzt und gesungen, großes Fest. Und schon die Kleinsten (hier ist die Wertung ein wenig anders, es werden aus insgesamt 5 Bewerben einzeln die besten ausgewählt und es endet bei County) werden als kleine Helden gefeiert.
Und jemand, der vielleicht in Mathe nicht so glänzt, gleicht das für sich durch Basketball aus oder weil er/sie im Chor ist oder bei den Pfandfindern. Und nein, wir machen nicht bei allem mit, konzentrieren uns jedes Jahr auf die Bewerbe, wo wir ausreichend und gute Schüler haben und wo wir auch gute Trainer engagieren können. Dieses Jahr lassen wir zum Beispiel Theater aus.
Ich weiß, dass ja in Europa der Trend dahin geht (oder nein, nicht Europa, Deutschland vor allem) diesen Wettbewerbsgedanken abzuschaffen, es würde ein Kind zu sehr verletzen, wenn es nicht gewinnt. Oder so ähnlich.
Und ja, was hier anders ist, es gibt kein – ein Team wählen, wir denken hier bei uns an Völkerball und klein und dick bleibt übrig, und auch keine verpflichtende Sportart die alle machen müssen. Außer Schwimmen als Lifeskill, aber nach drei Jahren das Seepferdchen schaffen, fein, reicht. Die Teams, von denen ich rede, suchen sich ihren Sport aus und nur den oder maximal ein zweites Hobby wird betrieben. In Basketball gibt es also nur solche, die Basketball lieben, freiwillig dabei sind und alle entsprechend gut.
Ich hab diese europäische Angst hier diskutiert mit Lehrern, Eltern, Kindern. Vielen Kindern, auch solchen, die in keinem Bewerb sind, die einfach nur lesen wollen oder häkeln. Alle, wirklich alle, haben mit vollkommenem Unverständnis reagiert. Warum soll es keine Gewinner und Verlierer geben, es geht doch nur um diese Sportart oder diese Aktivität. Es sind doch keine Verlierer als Menschen.
Ich hab erklärt, dass man bei uns denkt, es würde etwas mit Kindern machen, wenn sie sehen und erleben würden, dass andere einen Pokal bekommen und sie nicht.
Und dann hat mir ein Kind etwas gesagt, da musste ich fast weinen ob solcher Weisheit.
„Erzieht ihr eure Kinder denn nicht dazu, dass sie stolz sind auf sich, egal was sie tun?“
Einfach zum Nachdenken.
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