Kein Strom
Ich habe es verschrien. Und Samstag noch darüber nachgedacht, jetzt endlich auch die Solaranlage für mein Haus auszuzahlen und zu montieren. Aber ich wurde verwöhnt. 4 Wochen hier und noch kein einziges Mal Stromausfall.
Dafür jetzt heftig, nach 36 Stunden ohne Strom jetzt wenigstens ein kleiner Generator, damit nicht eine zweite Nacht im Dunkeln sitze und ein wenig nach außen kommunizieren kann. Diesmal sind zwei Transformatoren für eine ganze Region gleichzeitig kaputt gegangen und man arbeitet wirklich stundenlang schon daran. (Regelmäßige Wartung von was auch immer ist hier nicht so in den Köpfen. Man wartet bei fast allem, bis es kaputt ist.)
In meiner kleinen Wohnung direkt in der Stadt waren Stromausfälle an der Tagesordnung. Und das liegt nicht daran, dass Kenia nicht genug Strom hätte oder so wie jetzt, ein ernsthafter Schaden vorliegt. Es ist einfach eine Mischung aus Schlamperei, Korruption und dem Versuch, einzusparen, für was auch immer. Und weil es keine Konkurrenz gibt, nur eine Monopolstellung.
Jeder wusste zum Beispiel, immer donnerstags ist es soweit. Lade möglichst alles, was du laden musst, vor 10 Uhr, schau, dass – falls du überhaupt einen Kühlschrank hast – keine verderblichen Waren drin sind oder solche, die dir beim Schmelzen alles versauen, denn – bis ungefähr 19 Uhr wird es jetzt keinen Strom geben. Große Firmen haben natürlich ihre eigenen Generatoren, so auch das Spital. Laut, stinkend, unangenehm. Wer es sich leisten kann, hat Solarenergie auf dem Dach. Aber all die kleinen Firmen haben einfach Pech. Und die meisten privaten Haushalte haben ja ohnehin keinen Strom.
Außer Mama Gabi. Und die hat in den letzten Jahren hier gemerkt, wie unglaublich abhängig der Erste-Welt-Mensch doch davon ist.
Versucht doch einfach mal zuhause das Experiment – macht die Augen zu, geht durch eure Wohnung und euer Leben und stellt euch vor, einen Tag lang kein Strom. Und ich denke da nicht einmal an die Wirtschaft, an Bankomatkassen, Rolltreppen oder Türen, die nur automatisch öffnen, ich denke an das normale Leben.
Internet? Fehlanzeige, denn dazu braucht es Strom. Fernsehen, Netflix, Youtube, leider nein. Handy nicht aufgeladen? Pech. Kühlschrank wie gesagt, von Tiefkühltruhe rede ich gar nicht. Abends natürlich kein Licht und in einem Land wie Kenia ist es um 18.30 stockfinster. Bei vielen von uns wäre auch wohl Kochen ein Thema, bei mir hier auch, ich habe zwar einen Jiko, den dreibeinigen schweren schmiedeeisernen Kocher, der unten wie ein Griller befeuert wird, aber ansonsten zwei elektrische Kochplatten. Und nein, Kaffeemaschine und Toaster funktionieren auch nicht. Gut dass unsere Hausdame Judith (matron wird sie hier genannt, sie sorgt sozusagen rund um die Uhr für alle Internatskinder) mir eine Thermoskanne voll mit Tee gebracht hat. Wasser wurde über dem Feuer gekocht, wie sonst?
Für mich als Europäerin sicher am schlimmsten – kein Ventilator mal schnell, wenn es so richtig heiß wird, wobei ich zugebe, hier im Haus geht immer ein wenig Wind und ab ungefähr 11 Uhr hab ich keine pralle Sonne mehr. In der Wohnung war das nahezu unerträglich, vor allem, wenn man dann abends noch viele Kerzen angezündet hat, um etwas zu sehen. Fenster lässt man abends tunlichst zu, solange man nicht unterm Moskitonetz liegt. Und dass ich nicht mal schnell per Whatsapp video-telefonieren kann mit meinem Mann, das fehlt mir an solchen Tagen auch.
Es hat aber auch etwas Gutes, vor allem gestern am Sonntag. In Kenia sind Kirchen ja nicht steuerlich gefördert, sie müssen sich irgendwie erhalten durch Spenden. Und hier gilt das Motto, wer mehr Lärm macht, hat gewonnen. Es wird also der Gottesdienst mit riesigen Lautsprechern auch zu allen Nachbarn geblasen, Teil des Marketings sozusagen. Auch hier – jetzt im Haus ist es irgendwo in weiter Ferne, in der Stadt war es so, dass ich sonntags in eins der Hotels geflüchtet bin. Die liegen nämlich alle so, dass Touristen ja nichts mitbekommen von dem Wahnsinn. Moscheen haben übrigens alle einen Generator;-))
Und so habe ich gestern einen stillen Sonntag genossen, mein Nachbar hat mich mit ein wenig Transistorradio beschallt, eine Mischung aus Rap und Reggae mit manchmal indischen Einschlägen. Und mein Hahn legt sich auch mächtig ins Zeug, damit es nicht zu still wird. Stille ist nämlich wohl wirklich das, was Kenianer nur ganz schwer ertragen.
Heute allerdings war es dann schon unangenehmer. Handy und Notebook langsam ohne Saft, wir haben dann beides in eine Region gebracht, wo es noch Strom gibt und man hat es dort geladen. Aber auch in der Schule – Wasser aus unserem Brunnen benötigt eine Pumpe und die – richtig – Strom. Den ganzen Tag haben alle verfügbaren Kräfte daher wie in alten Zeiten Wasserkübel geschleppt, damit wir das staatlich geforderte Händewaschen überhaupt durchziehen konnten. Das ganze Büro steht, also wurde die Zeit genutzt, um aufzuräumen mit mir, da nicht so gut gelaunt, im Nacken.
Und was für mich privat nur einfach unangenehm ist, ist für Kenia als Land, das sich weiter entwickeln soll, eigentlich eine der größten Baustellen. Wie will man Investoren und Firmen anlocken, Arbeit schaffen, wenn man nicht einmal das Grundnahrungsmittel der Moderne zur Verfügung stellen kann – Strom. Und zwar nicht – meistens Strom, sondern 24/7 Strom, nicht einmal 5 Minuten keiner. Im Grunde kann die Regierung froh sein, dass so wenige Haushalte derzeit über Strom verfügen, denn sonst würde es sicher irgendwann heftige Proteste geben. Schon jetzt ist bei Familien, die nur so ein Minimum an Wohlstand ihr Eigen nennen, der Fernseher der Mittelpunkt des Hauses. Ein großer natürlich. Und hat somit auch hier die frühere Feuerstelle abgelöst. Und wie wir aus Europa wissen, alles darf man dem modernen Menschen wegnehmen, nur nicht das Dschungelcamp oder ähnlich schwere Kost.
Und wenn ihr die Zeilen lest, hab ich wieder Strom. Klarerweise.
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