Manchmal werde ich gefragt, was ich mir denn am meisten wünschen würde für Kenia. Und meine Antwort mag erstaunen, aber ich würde mir wünschen, dass Menschen wie ich nicht mehr notwendig wären. Dass es überhaupt keine ausländischen Organisationen brauchen würde, damit Menschen gut leben können oder ihnen geholfen wird.

Und immer wieder – neben einer guten Ausbildung und Job-Möglichkeiten – versuche ich, meine Kollegen und Freunde vor Ort, unser Team und unsere Mitarbeiter zu motivieren, Hilfe in Kenia zu organisieren, an Türen zu klopfen, Spenden zu sammeln, die nicht vom Ausland kommen.

Und jetzt bekomme ich heute zwei Weihnachtsgeschichten auf den Tisch, die unterschiedlicher nicht sein können, die aber als Kern Hilfe zur Selbsthilfe sind.

Ich habe heute erfahren, dass unser Landwirtschafts-Officer David mit einer Gruppe junger Leute, alles seine Freunde und teilweise schon seit der Schule eine Gemeinschaft, einen „Club“ gegründet hat, „Friends for Friends“. Er hatte erfahren, wie vielen seiner ehemaligen Klassenkameraden es schlecht geht, vor allem, wie viele einfach abgewandert sind und ihre alten Eltern oder Großeltern allein zurück gelassen haben. Später – und er sagt, mein ständiger Satz, „Hilfe beginnt mit hinschauen“ habe ihm die Augen geöffnet – sah er das Elend auch einfach bei seinen Nachbarn. Jedenfalls versuchen diese jungen Menschen seit drei Jahren immer um Weihnachten herum, Kleidung und Essen zu jeweils 10 Familien zu bringen. Mit eigenem kleinen Geld, still und leise, nichts an die große Glocke, ich selbst wusste davon nichts.

Und warum weiß ich es heute?

Weil er mir Fotos von zwei Familien geschickt hat, Nachbarn, tiefstes Elend. (Die Fotos seht ihr hier) Und gefragt hat, ob ich ihm helfen würde zu helfen. Natürlich tue ich das. Sie sind auch meine Nachbarn. Ich warte auf die Hintergrundstories und welche Hilfe ist die beste, wie immer – einmal Soforthilfe, einmal für die Verbesserung der Gesamtsituation und der Zukunft.

Und parallel dazu bekomme ich noch dieses heute, Nachricht von einem unserer Studenten, Athman. Der junge Mann ist seit seiner frühen Kindheit bei uns, hat Matura gemacht, nie der Allerklügste oder Bemühteste, aber immer glücklich, zufrieden mit allem, pflegeleicht, würde man sagen. Nach der Matura College, Diplom in Bauwesen, irgendwas in der Art, dann ein Jahr lang Job gesucht. Und hier zeigte sich, wo andere aufgeben, nicht so Athman. Er blieb dran, ließ sich nicht entmutigen, immer freundlich, immer bemüht. Im Juni hatte er sich bei einer Baufirma in Nairobi beworben, wurde gecastet und bekam im Oktober den Job, inzwischen ist die Probezeit vorbei, er darf bleiben und mehr noch, man ist total zufrieden und glücklich und die Firma hat uns wissen lassen, wenn wir mehr so tolle junge Menschen hätten, her damit.

Was beide Geschichten gemeinsam haben? Die Saat geht auf. Und das ist wohl das schönste, was ich mir zu Weihnachten überhaupt wünschen kann.

Gabriela Vonwald

 

Nichts erfüllt mich mehr mit Stolz, als wenn wieder einige unserer jungen Menschen „fertig“ geworden sind. Nicht nur fertig mit der Schule – bisher haben wir in 6 Jahrgängen rund 240 Maturanten und Maturantinnen aus unserer Schule entlassen, junge Menschen, die teilweise schon seit dem Kindergarten bei uns waren, also seit 14 Schuljahren. Daneben gibt es rund 140 Studenten und Studentinnen an diversen Universitäten, Colleges und Berufsschulen und weitere 46 starten 2025 und ungefähr genau so viele beenden ihre Studien.

Aber so richtig endet unsere Hilfe ja immer erst, wenn jemand sein Zertifikat, sein Diplom, seinen Bachelor in den Händen hält. Und oft nicht einmal dann, denn danach helfen wir Lebenslauf schreiben, Anstellung suchen. Und das beginnt schon während des Studiums, denn jeder Student muss verpflichtend ein 3-monatiges Praktikum machen, was ich sehr begrüße, denn oft erwächst daraus später eine Anstellung. Und hier nutzen wir unsere Kontakte. Gerade wieder haben wir für einen jungen Mann, der Kriminologie, Forensik und Sicherheit in Gemeinden studiert, eine Praktikumsstelle im örtlichen Gefängnis besorgt. Dort haben wir drei Jahre lang geholfen mit Spenden für die einsitzenden Mütter, und ja, eine Hand wäscht die andere und das fordern wir zunehmend auch ein.

Viele Praktikumsplätze gibt es in unseren 4 Schulen oder auch in der Special Unit Klasse. Wer mal Lehrer werden will, der ist gut aufgehoben, in den Klassen zu helfen, eine zukünftige Krankenschwester vermitteln wir in unser Partnerspital. Und auch einfach mal Hand anlegen auf unseren Baustellen tut nicht weh und man kann sich in den Ferien ein Taschengeld verdienen.

Und ganz oft übernehmen wir nach der Ausbildung auch einige dieser jungen Menschen zu uns und in unsere Gehaltsliste. Zum Beispiel haben wir bereis zwei selbst produzierte Lehrer und sogar unser Schulleiter ist ein Produkt unserer Hilfe.

Unsere Arbeit ist erst getan, wenn sich jemand selbst erhalten kann, ein Einkommen heimbringt.

Nein, noch haben wir keine ganz große Welle an fertigen Berufen. Aber auch die bisher rund 50 ausgebildeten jungen Menschen machen einen Unterschied. Durch ein Einkommen, vor allem aber auch dadurch, dass sie in ihren Familien, in ihren Gemeinden ein Vorbild sind, vor allem für die jüngeren. Ja, du kannst es schaffen, es ist nicht dein Schicksal, arm und ungebildet zu bleiben. Hoffnung, die sich multipliziert.

Und das Größte ist am Ende dann immer die Graduation-Feier in den jeweiligen Bildungseinrichtungen. Manchmal muss man da quer durchs Land fahren, zurück zur ehemaligen Uni. Solche Graduation finden einmal im Jahr statt, das heißt, manchmal ist jemand schon monatelang „fertig“, aber es gibt eben das Papier noch nicht. So ging es gerade unserer Caroline. Im März fertig studiert mit dem Studium „Wildlife Research“ , Praktikum gemacht, jetzt endlich der große Tag. Nur – viele können es sich gar nicht leisten, wirklich dabei zu sein. Wer soll die Fahrt bezahlen, die Übernachtung, etwas Nettes zum Anziehen. Und wenn schon, dann ist man allein, Eltern auch noch mitzunehmen, übersteigt alle finanziellen Mittel. Wo immer es mir möglich ist, versuche ich es daher. Bei Caroline gab es Fahrkarten für zwei Personen, Übernachtung für zwei, Kleidung für zwei, sodass die Mama am großen Tag der Tochter dabei sein konnte.

Und was mich immer wieder fasziniert – alle wollen irgendwann weiter lernen. Vom Diplom zum Bachelor, vom Bachelor zum Master. Ganz viele bewerben sich um Auslandsstipendien, um ihren Doktor zu machen, etwas, das ich so von Österreich gar nicht kenne.

Gleich nach der Graduation schrieb mir Caroline – „through your support in my studies I have become the lady I always envisioned. My learning does not stop here, one step at a time, but I will be a professor one day.“

Gefragt, was wir denn anders machen als vergleichbare Organisationen, könnte ich viel antworten.

Dass es bei uns nicht nur darum geht, Kindern irgendwie Lesen und Schreiben beizubringen, nicht nur, ihnen etwas zu essen zu geben oder mit den Kleinsten zu singen, sondern dass es um eine Vorbereitung geht auf eine Welt von morgen, eine globale Welt mit anderen Anforderungen als die, mal irgendwo einen Tagelöhnerjob zu bekommen. Wir regen uns ja zu Recht auf darüber, dass 50 Jahre Entwicklungshilfe immer noch nicht das gebracht hat, was wir eigentlich schaffen wollten. Und das kann man nur schaffen, wenn man durch eine richtig gute Ausbildung junge Menschen dazu ermächtigt, in ihrem Land etwas aufzubauen und zu verändern, wohlhabend zu werden, keine Lust auf Europa, vielleicht sogar mal besser in ihren Jobs als Europäer (Ich bekomme bereits Anfragen aus österreichischen offiziellen Stellen nach ausgebildeten Collegeabgängern für die österreichische Wirtschaft. Was ich abgelehnt habe).

Wenn ich aber eins benennen müsste, dann wäre es – wir machen auch nach der Schule weiter. Wir finanzieren Uni und College und Berufsschule. Und sogar danach versuchen wir Hilfe. Gerade ist in Gründung eine Gruppe „Friends of Gapeka“ (Gapeka heißen wir in Kenia), deren Aufgabe neben Fundraising in Kenia sein soll, unseren fertigen Uni-Abgängern Praktikumsplätze oder Jobs zu vermitteln. Und in dieser Gruppe sind dann Menschen vertreten, die es eben geschafft haben und in der Wirtschaft bereits etwas zu sagen haben.

In regelmäßigen Abständen allerdings denke ich mir so für mich – was hast du dir da angetan? Vielleicht sollte ich doch nach der Matura Schluss machen mit jeder Hilfe. Und das liegt nicht an den jungen Menschen, sondern daran, dass Kenia was Uni und College betrifft, einfach ein unglaubliches Chaos hat. Derzeit liegt eine ganze Nation in Warteposition, weil sich die Finanzierung der Unis geändert hat. Man hat aber (kennt man ja auch von unseren Politkern) zuerst mal das Alte weggenommen, das Neue gibt es aber noch nicht. Studium ist schon ohne Unterstützung für die meisten jungen Menschen in Kenia fast unerschwinglich. Und jeder fragt mich, ihr seid doch ein reiches Land mit gut verdienenden Menschen, und trotzdem kostet Uni in Österreich fast nichts? Aber ohne Zuschuss vom Staat an die Universitäten, würde niemand es schaffen. Und die Unis haben jetzt gedroht, wenn nicht umgehend eine Lösung gefunden wird, dann sperren sie nächste Woche zu.

Heute jetzt endlich die Nachricht – Montag gibt es Lösungen. Also Geld für die Unis und Stipendien für unsere Student*innen.

Und ganz abgesehen davon kommen dann Nachrichten von meinen Großen wie –

„Without you I would have to drop my dreams“

Und jungen Menschen die Träume zerstören, nur weil irgendetwas schwierig ist? Niemals.

Also bitte ich weiter um Hilfe für unseren Studenten-Topf.

Gabriela Vonwald

Mein Traum war und ist es ja, dass irgendwann alle unsere gut ausgebildeten jungen Menschen in Kilifi, also in ihrer Ursprungsgemeinde, etwas verändern und auf dem Weg dahin auch etwas zurück geben. Vielleicht als Lehrer oder Lehrerin an die Schule zurück kehren oder unser Landwirtschaftsprojekt mit gestalten.

Da wir jetzt als Richtlinie haben, alles was an unserer unmittelbaren Nachbaruni, der Pwani, angeboten wird, wird auch dort studiert, wir also die jungen Menschen jetzt nicht mehr im Land herum schicken und seit September die ersten 20 Student*innen dort eingeschrieben haben, lässt sich dieses – ich gebe was zurück – schon während des Studiums umsetzen.

Schon während der Wartezeit zwischen mtura/Abitur und Studienbeginn haben alle ein Praktikum bei uns gemacht und einfach gegen ein kleines Taschengeld und Essen geholfen, wo sie gebraucht wurden. Und es hat ihnen sooo gut getan.

Unser Obmann, Prof Katana, hatte am Samstag ein Treffen mit allen und alle sind begeistert, dass sie in der Schule neben dem Studium gebraucht werden. Natürlich hat das auch den Vorteil, sie müssen kein Essen kaufen, können bei uns mitessen und die Bibliothek nutzen, das Internet, die Ruhe.

Es hat aber auch für uns große Vorteile, natürlich auch den finanziellen, dass wir nicht für jeden Handgriff jemanden einstellen müssen. Aber auch – Kids lernen am liebsten von denen, die nur kaum älter sind. Die sind näher dran, sprechen die gleiche Sprache, können ganz aktuell erzählen, was tatsächlich so an einer Uni gebraucht wird und dass man dafür lernen muss.

Wir werden also vor allem für die abendlichen Lerngruppen und für die Wochenenden nicht mehr teure Überstunden an Lehrer zahlen, die nach einer Woche im Dienst ja auch müde sind, sondern unsere jungen Menschen machen das.

Gabriela Vonwald