Die Wochen vor Weihnachten sind einerseits geprägt von „Black Week“, „Super-Sonder-Weihnachtsspecials“ und „absoluten Tiefstpreisen“. Und andererseits blicken einen doch überall diese niedlichen Kinderaugen an, die gerade jetzt unbedingt Hilfe brauchen. Möglichst werbewirksam werden jetzt Schuluniformen, Schuhe oder Ziegen an den Mann oder die Frau gebracht – dafür gibt’s auch eine Urkunde, zum Behalten oder Verschenken, im trendigen Weihnachtsdesign mit Rentierschlitten, Christbaum, Wichtel und Co.

Manchmal wird mir das zu viel. Und ich denke, ich bin mit diesem Gefühl nicht allein. Wer helfen will, der tut es das ganze Jahr über. Wer einem Kind den Schulbesuch ermöglichen möchte, der muss dazu nicht auf Weihnachten warten. Ja, Werbung ist wichtig, aber noch wichtiger ist – Was steckt dahinter? Kommt die Hilfe auch wirklich an? Und zwar nicht einfach irgendwo, sondern dort, wo ich als Spender sie gerne haben möchte? Auch dann, wenn die Spende ein sinnvolles Geschenk für einen lieben Menschen sein soll, der sich dies wünscht oder „eh schon alles hat“.

Natürlich sammeln auch wir Spendengelder und ja, viele Menschen sind in der Vorweihnachtszeit eher geneigt, „etwas Gutes zu tun“. Umso größer ist unsere Verantwortung als Hilfsorganisation, dieses Vertrauen nicht zu missbrauchen. Denn auch Katastrophen warten nicht auf besondere Feiertage.

Gerade aktuell haben wir es geschafft, das Geld für 11 Hütten für Familien zu sammeln, die durch El Niño alles verloren haben, die kein Dach mehr über den Kopf haben und derzeit in unserer Notunterkunft in einer Kirche schlafen. Unsere Paten und Spender wissen genau, welche Familien diese Hütten bekommen, kennen die Hintergründe und Familiengeschichten. Es ist nicht einfach „irgendeine“ Familie, es sind Kinder, Eltern, Großeltern, deren ganz persönliche Schicksale uns berühren.

Eine unserer Ehrenamtlichen hat es kürzlich so treffend ausgedrückt: Es ist die Zeit der Herbergssuche und wir bauen Hütten. Ja, das ist doch sehr symbolträchtig, und auch Thema unseres heurigen Adventkalenders. (https://tuerchen.app/aGgL9KR12bBftZHt?fbclid=IwAR23d_LfcHR3viJfZGK4QxqAk-d6NbZW578Jh0rUNHmaPAFX-B0-kMgnt2Q).

Aber es wäre egal, zu welcher Zeit im Jahr. Wenn diese Unwetter nun im Mai passiert wären, dann sähe unsere Hilfe nicht anders aus. Denn wer schnell hilft, hilft doppelt.

Und wer das möchte, bekommt von uns natürlich ganzjährig eine Spendenurkunde, sogar mit Gütesiegel und steuerlich absetzbar. Wer also nicht „nur“ aus Herzensgüte spenden möchte, sondern auch aus steuerlichen Gründen, hat für 2023 noch dreieinhalb Wochen Zeit. Für alle österreichischen Spender trage ich dann Anfang des Jahres die Spendensumme direkt in Finanzonline ein, für Firmen und ausländische Sponsoren stellen wir gern Spendenquittungen aus. Eine gute Möglichkeit, selbst darüber zu bestimmen, was mit dem eigenen mühsam erarbeiteten (Steuer-)geld passiert…

Lasst uns die letzten Wochen des Jahres damit verbringen, möglichst vielen Familien eine Herberge zu bieten, eine Hütte zu bauen, ein Zuhause zu schaffen.

 

Mag. Sarah Eidler

Regen ist in Kenia eine sehr zwiespältige Sache.

Viele Monate von Dezember bis April fällt gar keiner, nicht ein Tropfen. Alles, was Wasser benötigt, verdorrt, Menschen stöhnen, müssen Wasser auf dem Kopf von immer weiter her tragen, weil das Grundwasser fällt, Brunnen versiegen. In manchen Landstrichen regnet es auch schon mal zwei oder drei Jahre gar nicht, Tiere müssen verkauft werden, weil man sie nicht mehr durch die Dürre bringt.

In Kilifi, an der Küste, gab es dieses Jahr ein spektakulär gutes Regenjahr. Mit heftigen Regenfällen im Mai, dann viele Wochen angenehm und ideal für Landwirtschaft, was wir eifrig getan haben, alles sollte gut sein.

Vor einer Woche nun wurde schon El Nino angekündigt. In Erwartung haben wir schon zweimal Familienbesuche abgesagt, heftiger Regen, aber noch kein El Nino.

Und jetzt, als wir schon glauben, okay, kommt nicht mehr, regnet es heftig seit 20 Stunden. Und wie immer heißt das auch – Erde rutscht weg, Zäune fallen um, ein Stück einer Stiege bricht weg. Unser Mr. Chai macht schon seit der Früh seine Runden, ich bekomme im Minutentakt die Schäden auf mein Handy, und es wird wohl darauf hinauslaufen, dass ich heute noch zur Bank fahre, eine größere Summe Geld abhebe (mein privates), für morgen werden Arbeiter bestellt und Material und es wird alles wieder repariert und befestigt. Und so sehr mich das natürlich nervt (ich würde mein Geld lieber anders ausgeben), das war mal meine Schule und ich fühle mich selbstverständlich verantwortlich.

Nur, es ist bei diesem Regen etwas ganz anderes, das mich fertig macht.

Schon seit gestern abends, als es angefangen hat, denke ich an die besuchten Familien in ihren Hütten. Kinder, die mit den Tieren gemeinsam unter etwas schlafen, das kaum als Dach mehr zu erkennen ist. Kein Bett, keine Matratze, manchmal ein Stück Stoff drunter, nach 5 Minuten ist alles nass, aufgeweicht, inklusive Lehmboden, es spült die Exkremente der Tiere durch. Es wird nachts durchaus kalt, Kinder tragen nur, was sie am Leib haben, sind natürlich erkältet. Die Pfützen überall eine Brutstätte für Malaria-Mücken, die wieder vor allem die Kleinsten gefährden.

Unsere Weihnachtssammlung ist daher neben einem Essenspaket – Betten bitte. Man liegt dann wenigstens nicht im Regen.

Und ich sagte es auch – viele unserer Kinder sind Bettnässer, wir brauchen daher immer häufiger so genannte Mackintosh, also Auflagen auf die Matratzen. Denn bei diesem Wetter trocknen die nicht. Diese Auflagen kosten 20 Euro, gibt es überall, hier in Kilifi an jedem zweiten Stand, eine Volksseuche geradezu, ich sehe beispielsweise am Beginn eines Schuljahres, wenn die Kinder irgendwohin in eine Boarding aufbrechen, da werden viele davon gekauft. Auch meine Betty war betroffen. Daher bitte – helft uns mit Essen, Betten, Matratzen und Matratzenauflagen. Ich höre, dass es auch in Österreich gerade schüttet wie aus Kübeln. Aber unsere Kinder schlafen in einem Bett und haben ein Dach darüber.

Und ich werfe mich auf die Schäden an der Schule.

Gabriela Vonwald

 

 

Schon von weitem liegt Kalksteinstaub in der Luft, alle Pflanzen am Weg mit einer weißen Schicht überzogen, erschöpfte Arbeiter am Strassenrand, viele LKW auf dem Weg oder soll es eine Strasse sein? Rechts und links wird Kalkstein abgebaut, die berühmten „coral blocks“, mit der hier alle Häuser gebaut werden. Knochenarbeit für erwachsene Männer. Ich weiß, irgendwo nicht weit, ist das Meer, aber alles um mich herum ist wie die Vorhölle und ich fürchte mich vor dem Augenblick, wo ich aus dem Auto aussteigen muss. Und hier soll eine Familie leben?

Ich erlebe seit 17 Jahren bei Familienbesuchen so einiges, viel Armut, familiäre Gewalt, verworrene Verhältnisse und immer leiden die Kinder. Aber wenigstens gibt es Bäume, Gras, Tiere, irgendwas, an dem das Auge sich ausruhen kann. Hier tun mir sofort die Augen weh, als ich das Auto mit den getönten Scheiben verlasse. Man wird von diesem gleißenden Weiß fast schneeblind, der Staub legt sich auf Nase, Augen, Lunge – auch nicht ungefährlich.

Und hier lebt sie also, die Familie von Evans, einem 10jährigen Buben, der täglich 8km Schulweg in Kauf nimmt, einfach weil er es nicht mehr ausgehalten hat, nicht lernen zu können. Und er ist Klassenbester. Er steht um 5 Uhr auf und ist um 8 Uhr in der Schule, das Gleiche abends zurück. Und er hält das durch seit Jahren. Wie groß muss der Wunsch sein, nein, kein Wunsch mehr, da hat jemand ein Ziel ganz fest vor Augen. Unglaublich für solch ein Kind.

Wir steigen aus und 6 Kinder kommen uns entgegen, dazu das Elternpaar, einen Säugling im Arm. Alle Kinder freundlich, aktiv, aber dennoch irgendwie mit der Umgebung verwachsen, keine Farbe in den Augen, zugedeckt mit Staub. Dazu ein kleines Steinhaus, als wir später hineingehen – da ist nicht. Und wenn ich nichts sage, dann meine ich das so. Eine Matte am Boden, fertig. Wo kocht die Familie, was spielen die Kinder, alles hier ist im Grunde menschenfeindlich. Sie besitzen nur das T-Shirt, das sie tragen, keine Spielsachen, nichts.

Wir versuchen bei diesem Besuch für Evans eine Lösung zu finden, wie wir ihm diesen unglaublichen Schulweg abkürzen können, Pastorin Riziki, die Schulleiterin, würde ihm erlauben, in ihrem Zuhause zu schlafen (die Frau besitzt selbst nichts als eine Matratze), wir kaufen ihm ein Fahrrad, Montag bis Freitag abends bei ihr, dann heimradeln.

Und ja, eine Lösung wäre das. Er freut sich, aber doch nicht so wirklich. Die Freude kommt nicht in seinen Augen an. Weil es eben nur eine Lösung für ihn ist, nicht für seine Geschwister.

Was also tun. Wir reden mit dem Vater. Michael vor allem, von Mann zu Mann. Wir werden einen Raum mieten in Tezo, das kostet ungefähr 10 Euro monatlich (falls der Papa hier sein Versprechen bricht, daran wird es nicht scheitern, dass wir es übernehmen). Und dann können 4 der Kinder in die Schule (drei sind noch zu klein). Betten werden angeschafft, zwei der beiden anderen Kinder haben sofort Paten gefunden, nur Amos sucht noch.

Und Evans wird sein Fahrrad dennoch bekommen. Er ist mein Held. Er hat nicht nur für sich selbst bewiesen, was Zielstrebigkeit heißt, er hat auch für seine Geschwister die Tür zur Bildung aufgemacht.

Gabriela Vonwald

In wenigen Stunden fliegen Sarah und ich wieder nach Kenia, im Koffer über 100 Briefe mit kleinem Inhalt unserer Paten und eine lange To-Do-Liste.

Wer am Sonntag Podcast gehört hat, der weiß ja, wie die Aufenthalte so in etwa ablaufen. Diesmal werden wir uns wohl ein wenig aufteilen, denn der größte Brocken werden die Familienbesuche sein, gleichzeitig gibt es aber unglaubliche viele Besprechungen, denn Oktober/November ist immer die Zeit, wo auch das Budget für das nächste Jahr diskutiert werden muss. Jetzt mit der neuen Schule kommen ja noch einmal viele Dinge dazu, die beachtet werden müssen.

Und ich hatte ja mal gesagt, dass ich die Familienbesuche für mich persönlich reduzieren will. Soweit die Theorie. Aber ich möchte es persönlich schaffen, möglichst viele der neuen Familien der Bright Academy zu besuchen, außerdem auch einige Familien von Kindern, die in externe Schulen gehen.

Warum überhaupt Familienbesuche, kann man nicht einfach mit den Kindern in der Schule plaudern?

Man kann sagen, meine gesamte Tätigkeit in Kenia hat mit Familienbesuchen begonnen, damals noch mit meinem guten Freund Mr. Karani, im Taxi und viel, viel zu Fuß. Bis heute ist mir das wertvoll, denn nur hier sehe ich den Hintergrund dazu, wie unsere Kinder leben, aus welchem Umfeld sie kommen, mit welchen Alltagsprobleme die Familien zu kämpfen haben.

Ich höre zu, schaue hin, umarme und nehme auf den Schoß. Und zeige den Menschen auch, dass ich nicht in einem Glaspalast irgendwo sitze, sondern zu ihnen komme. Sie können mich anfassen, ihre Sorgen vortragen, mir ihre Hütten zeigen. Und was ich oft scherzhaft sage, alles sehn – „ja, die lebt noch“.

Daher freue ich mich auch diesmal darauf besonders. Und gern nehme ich alle Paten dabei immer mit und erzähle in unserer Facebook-Patengruppe dann, was wir so alles gesehen und erfahren haben und was das jeweilige Kind dringend braucht.

Wer noch nicht Pate oder Patin ist – jetzt wäre ein richtig guter Zeitpunkt.

Gabriela Vonwald