Heute war der letzte Prüfungstag unserer Maturanten und die drei Wochen Prüfung für 2023 damit beendet. Ja, drei Wochen dauert die Matura in Kenia, Montag bis Donnerstag, 8 bis 17 Uhr, Freitag 8 bis 13 Uhr. Da kommen die Kids schon dran. Und es ist nicht einfach nur Englisch, nein, englische Komposition (also Aufsatz), englische Literatur, Grammatik usw. Und Chemie in Theorie und Praxis, Kiswahili, Biologie oder Physik, Geschichte, Geographie, Religion, je nach Wahl Business oder Agriculture, also wenn man heute in die Gesichter schaut – müde, sehr müde.

Aber, sie haben es geschafft, sie sind jetzt „reif“, erwachsen oder doch so ähnlich. Wir haben sie nach einem feinen MIttagessen in die Ferien und in die Freiheit entlassen und was sagen sie? „We will miss the land of joy“ – wissend, der Ernst des Lebens beginnt jetzt da draußen.

Wie geht es weiter?

Jetzt sind erst einmal Weihnachtsferien.

Die Prüfungsergebnisse werden mit Ende Januar erwartet, dann kommen alle zusammen im Februar und die Studienberatung fängt an. Was wollt ihr studieren, wo liegen eure Leidenschaften, und was ist realistisch, was lässt sich mit der Gesamtnote bzw. mit den Noten in den einzelnen Fächern auch tatsächlich studieren?

Die Uni – wir schicken ja nur noch und konsequent zur Nachbar-Uni, der Pwani, beginnt dann im September, eine lange Zeit für die Kids und hier ist es besonders wichtig, da zu sein, sie im Auge zu behalten, ihnen Alternativen gegen das Herumlungern zu bieten.

Zunächst einmal gibt es Anleitung – ID-Card beantragen, ein Bankkonto eröffnen, all das wirst du an der Uni brauchen. Und dann bieten wir ein bezahltes Praktikum bei uns – auf der Modellfarm helfen, in den Klassen helfen, Nachhilfe geben, in der Küche Gemüse schnippeln usw. Einerseits bei uns in der Schule, andererseits in unseren Partnerschulen oder in Unternehmen, mit denen wir eng zusammen arbeiten. Die jungen Menschen lernen dabei Arbeiten, Disziplin, abends körperlich müde sein, nicht nur geistig, vor allem aber – sie verdienen sich ein Taschengeld. Und wir leiten sie an – spare davon einen Teil, du wirst zum Studium ein gutes Smartphone brauchen. Wir legen was drauf, aber ein Teil kommt von dir.

Und so wird die Vonwald Schule immer eine Anlaufstelle sein, immer das Zuhause, das die meisten der Kinder nicht wirklich hatten und haben. Und das wissen sie. Und ich bin ganz sicher, die ersten stehen Anfang Januar schon beim Tor.

Gabriela Vonwald

Immer wenn wir Eltern fragen, warum sie Hilfe benötigen, warum und wie sie es denn bisher geschafft haben und warum es jetzt nicht mehr geht, wird sofort das neue Schulgesetz genannt, die neuen Bildungspläne. Bisher ging es irgendwie, öffentliche Schulen waren leistbar, immer mal wieder musste man einem Lehrer was direkt zahlen, aber man hat es geschafft.  Aber jetzt? Mit mehreren Kindern? Und wir reden nicht nur von Highschool, es fängt schon in den unteren Volksschulklassen an.

Was heißt denn neue Schulordnung, neue Lernpläne? Und was daran ist so teuer?

Ich hab es ja oft erzählt und geschrieben, Kenia hat in einer Kraftanstrengung vor einigen Jahren das gesamte alte Schulsystem über den Haufen geworfen und durch ein neues ersetzt. Mit einem Satz könnte man flapsig sagen – weg vom britischen, hin zum amerikanischen. Im alten System ging es um – alle lernen das Gleiche und werden in den gleichen Fächern gleich bewertet. Und wenn jemand irgendwo besonders begabt ist, aber schlecht in einem anderen Fach, Pech. Und niemand hat sich auch die Mühe gemacht, überhaupt mal heraus zu finden, wo denn die Begabung liegen könnte, denn dazu muss man auch viele Dinge anbieten, Türen öffnen, Tisch decken, damit Kinder sich ausprobieren können.

Nun, das ist jetzt geschehen, wir schreiten 2024 bereits ins 8. Jahr, also Klasse 8 formiert sich im neuen System. Und bei uns in der Vonwald-Schule kämpfen wir natürlich auch, alle neuen Anforderungen zu erfüllen, der Unterschied ist nur – wir haben viele Jahre vorher bereits ganz viel davon freiwillig angeboten, was heute verpflichtend ist. Und – wir müssen dazu nicht Eltern zur Kasse bitten, die an sich schon nichts haben. Denn was wir zunehmend sehen ist, dass auch Kinder aus Elternhäusern mit zwei arbeitenden Eltern sich Schule nicht mehr leisten können.

Was sind zum Beispiel solche neuen Kosten?

Früher hat eine Schule gelegentlich einen Ausflug gemacht, staatliche nie, private manchmal. Freiwillig. Heute sind Ausflüge für alle Klassen jedes Jahr verpflichtend. Schon ab Kindergarten sind Ausflüge verpflichtend. Und müssen dokumentiert werden.

Früher gab es in der Schule Fußball. Aus. Heute wird von Schulen verlangt, mindestens zwei bis drei Sportarten „vernünftig“ anzubieten, also entsprechendes Equipment und ausgebildete Trainer.

Schwimmen, hatte früher niemand am Schirm (außer uns, aber eben freiwillig), jetzt ist es verpflichtend. Na wer wird wohl die Poolmiete und den Trainer bezahlen? Die Schule aus dem Budget? Sicher nicht.

Es sollen Musik und Kunst angeboten werden, vielfältig. Also mindestens ein Instrument, verschiedene Mal-Techniken, Handarbeiten, Haushaltsführung.

Und auch – fast alle Lehrer brauchen Nachschulungen. Allein für das Problem, wie finde ich denn heraus, ob jemand Talent hat? Einfach nur eine Mama, die lesen und schreiben kann, in den Kindergartenklassen praktisch mal den Anfang machen lassen, das geht zurecht nicht mehr. Gerade auf die frühkindliche Erziehung wird inzwischen unglaublich viel Wert gelegt.

Ich finde das persönlich alles toll und wichtig, aber ich bin der Meinung, das sollte sich dann auch der Staat leisten. Tut er aber nicht, er rührt kein Ohrwaschel. Und so sieht es dann so aus, als gäbe es Talente nur in der Oberschicht. Unter den Armen keine Sportler, keine Musiker, keine Künstler.

Dabei hat einer unserer Studenten, David, Vollwaise, manche kennen ihn schon aus meinem Podcast, gerade von allen Universitäten Kenias bei einem Bewerb Platz 1 als bester Schauspieler gewonnen und Platz 2 als bester Musical Darsteller. Weil wir es fördern und immer gefördert haben.

Gerade erfahre ich, eine der staatlichen Schulen in unserer Nachbarschaft verlangt jetzt pro Trimester in der Junior High umgerechnet 45 Euro. Das ist für so manchen Tagelöhner ein Monatseinkommen. Das Ganze 3mal im Jahr, dazu Bücher, Materialien, eben alle die Extras, die ich oben erwähnt hab, Schuluniform usw.

Wir könnten uns jetzt zurück lehnen und sagen, tja, schaffen wir auch nicht mehr, warten wir mal, was sich der Staat in den nächsten 10 Jahren so einfallen lässt. Aber wollen wir das? Sind wir dafür angetreten, etwas zu verbessern? Und die Kinder, die heute Hilfe brauchen, sind in 10 Jahren, bis sich der Staat meldet, bereits zornige junge Menschen, die nach Europa wollen.

Armut hat sich auch in Kenia verschoben. Danke an dieser Stelle an alle, die es möglich machen, dass wir bei uns tatsächlich nach Talenten suchen können.

Gabriela Vonwald

 

Bei uns in Österreich (oder in Deutschland) kann man sich ja kaum vorstellen, dass Schule ohne Bücher überhaupt irgendwie sein kann.  Bücher werden vom Staat zur Verfügung gestellt und schon wenn man als Eltern mal ein wenig dazu zahlen soll für Kopierpapier oder andere Extras, ist die Empörung groß. Ich bin selbst Mutter, hab meine beiden Töchter durch die Schule gebracht und weiß, da raunzt man schnell und ruft nach dem Staat.

Auch als ich selbst zur Schule gegangen bin, gab es die Bücher gratis. Der Unterschied, sie bleiben Schuleigentum und wurden vererbt, was ich bis heute ja für den besseren Weg halte. Und genau so läuft es auch bei uns in der Vonwald Schule ab.

Wir kaufen alle Bücher ein, es verwenden diese Bücher aber mehrere Jahrgänge und nur die wirklich kaputten werden ersetzt.

Und damit sind wir fast schon ein Exot im kenianischen Schulsystem, denn überall sonst heißt es – Eltern, bitte kaufen. Oder maximal, man kauft so drei bis 5 Stück, kopiert mal einzelne Seiten, liest draus vor. Und nirgends ist die Situation dann so, dass ein Kind tatsächlich ein Buch für jedes Fach besitzt. Ein Buch pro Kind, das nicht geteilt werden muss mit drei oder fünf anderen aus der Klasse.

In der Vonwald-Schule müssen wir jetzt durch das neue Schulgesetz und neue Schulpläne immer nur die jeweils nach oben wachsende Klasse neu bestücken. Machen wir immer schon im November oder sogar Oktober, damit wir günstig einkaufen. Wenn einzelne Eltern erst im Jänner einzelne Bücher kaufen, das wird sehr sehr teuer.

Und jetzt haben wir unsere neu adoptierte Schule die Tezo Bright Academy ebenfalls mit Büchern ausgestattet. Jedes Kind das komplette Paket aller Bücher für das kommende Jahr. Von unseren Lehrern wunderschön verpackt als Weihnachtsgeschenk. Das echte Lernen kann also beginnen.

Gabriela Vonwald

Heute am 13. November ist Internationaler Baumpflanztag. Überall auf der Welt sollten wir also Bäume pflanzen oder wenigstens die vorhandenen hegen und wertschätzen. Und sicher machen auch manche Staaten daraus einen besonderen Tag, so auch Kenia. In Kenia ist heute öffentlicher Feiertag.

Warum gerade in Kenia? Nun, Kenia hat mit Wangari Maathai eine Friedensnobelpreisträgerin, die sich das Pflanzen von Bäumen zu einer Lebensaufgabe gemacht hat. In unserer Schule ist der Mädchenschlafsaal nach ihr benannt und in der Bibliothek findet man von Bilderbuch bis Biographie ganz viel Literatur über sie und zum Thema Bäume.

In Kenia ist Bäume pflanzen aber vielleicht noch ein wenig wichtiger, denn es wird viel Raubbau betrieben. Nicht für Möbel oder Häuser, nein, für Holzkohle, deren einfache Erzeugung in einem Erdloch durchaus ein gutes Geschäft ist. Überall an den Strassen sieht man die Händler mit ihren Säcken.

Und wer jetzt schnell urteilt – wie kann man nur – nun, irgendwie muss man den Maisbrei ja zumindest kochen können. Gas oder Elektro – Fehlanzeige. Fast alle einfachen Familien kochen mit Jiko, dem dreibeinigen kleinen Ofen über offenem Feuer.

Wie verbringen also unsere Kids den Tag (es sind immerhin Ferien, die Kinder also gar nicht in der Schule).

Nun, Teil unseres SAKI-Programmes (Sustainable Agriculture Kilifi) ist die frühe Heranführung von Kindern an das Thema Landwirtschaft, Nachhaltigkeit, Schutz des Planeten. Dieser Teil innerhalb SAKI heißt Von-Green. Unsere Kinder werden dazu ausgebildet, machen es in anderen Schulen vor, sind Vorbild.

So auch heute. Eine Gruppe unserer Kinder ist mit Baumsetzlingen angerückt in unserer neu adoptierten Schule Bright Academy und hat auf dem neuen Grundstück gemeinsam mit den dortigen Kindern Bäume gepflanzt.

Ab dem Beginn der nächsten großen Regenzeit im April sind dann wieder die Eltern und ausgesuchte Menschen aus der Gemeinde dran, die wir über ein ganzes Jahr zu SAKI-Farmern ausbilden. Die ersten gab es ja schon im Vorjahr. Hier geht es um Landwirtschaft und natürlich auch darum, wie kann ich damit Geld verdienen, meine Familie ernähren. Aus allen, die  ausgebildet wurden, wählen wir dann einige wenige aus, die wieder in kleinen Gruppen dieses Wissen weiter geben.

Zurück zu den Kindern. Ab nächstem Jahr wird es auf einem unserer Grundstücke auch Landwirtschaft für andere Schulen geben. Viele Schulen, auch staatliche, sind an uns herangetreten, sie würden das auch gern anbieten, haben aber kein entsprechendes Grundstück.

Und so wird irgendwann mal aus einem Baum ein Wald;-))

Glauben an die Zukunft bedeutet auch, heute einen Baum zu pflanzen, obwohl man weiß, dass man es nicht erleben wird, in seinem Schatten zu sitzen.

Gabriela Vonwald

Regen ist in Kenia eine sehr zwiespältige Sache.

Viele Monate von Dezember bis April fällt gar keiner, nicht ein Tropfen. Alles, was Wasser benötigt, verdorrt, Menschen stöhnen, müssen Wasser auf dem Kopf von immer weiter her tragen, weil das Grundwasser fällt, Brunnen versiegen. In manchen Landstrichen regnet es auch schon mal zwei oder drei Jahre gar nicht, Tiere müssen verkauft werden, weil man sie nicht mehr durch die Dürre bringt.

In Kilifi, an der Küste, gab es dieses Jahr ein spektakulär gutes Regenjahr. Mit heftigen Regenfällen im Mai, dann viele Wochen angenehm und ideal für Landwirtschaft, was wir eifrig getan haben, alles sollte gut sein.

Vor einer Woche nun wurde schon El Nino angekündigt. In Erwartung haben wir schon zweimal Familienbesuche abgesagt, heftiger Regen, aber noch kein El Nino.

Und jetzt, als wir schon glauben, okay, kommt nicht mehr, regnet es heftig seit 20 Stunden. Und wie immer heißt das auch – Erde rutscht weg, Zäune fallen um, ein Stück einer Stiege bricht weg. Unser Mr. Chai macht schon seit der Früh seine Runden, ich bekomme im Minutentakt die Schäden auf mein Handy, und es wird wohl darauf hinauslaufen, dass ich heute noch zur Bank fahre, eine größere Summe Geld abhebe (mein privates), für morgen werden Arbeiter bestellt und Material und es wird alles wieder repariert und befestigt. Und so sehr mich das natürlich nervt (ich würde mein Geld lieber anders ausgeben), das war mal meine Schule und ich fühle mich selbstverständlich verantwortlich.

Nur, es ist bei diesem Regen etwas ganz anderes, das mich fertig macht.

Schon seit gestern abends, als es angefangen hat, denke ich an die besuchten Familien in ihren Hütten. Kinder, die mit den Tieren gemeinsam unter etwas schlafen, das kaum als Dach mehr zu erkennen ist. Kein Bett, keine Matratze, manchmal ein Stück Stoff drunter, nach 5 Minuten ist alles nass, aufgeweicht, inklusive Lehmboden, es spült die Exkremente der Tiere durch. Es wird nachts durchaus kalt, Kinder tragen nur, was sie am Leib haben, sind natürlich erkältet. Die Pfützen überall eine Brutstätte für Malaria-Mücken, die wieder vor allem die Kleinsten gefährden.

Unsere Weihnachtssammlung ist daher neben einem Essenspaket – Betten bitte. Man liegt dann wenigstens nicht im Regen.

Und ich sagte es auch – viele unserer Kinder sind Bettnässer, wir brauchen daher immer häufiger so genannte Mackintosh, also Auflagen auf die Matratzen. Denn bei diesem Wetter trocknen die nicht. Diese Auflagen kosten 20 Euro, gibt es überall, hier in Kilifi an jedem zweiten Stand, eine Volksseuche geradezu, ich sehe beispielsweise am Beginn eines Schuljahres, wenn die Kinder irgendwohin in eine Boarding aufbrechen, da werden viele davon gekauft. Auch meine Betty war betroffen. Daher bitte – helft uns mit Essen, Betten, Matratzen und Matratzenauflagen. Ich höre, dass es auch in Österreich gerade schüttet wie aus Kübeln. Aber unsere Kinder schlafen in einem Bett und haben ein Dach darüber.

Und ich werfe mich auf die Schäden an der Schule.

Gabriela Vonwald

 

 

Heute komme ich mal nicht mit einer Erzählung, sondern lasse einfach mal Fakten sprechen.

Gestern vor einem Monat haben wir beschlossen, ja, wir machen das noch einmal, eine Schule bauen, eine ganze Schule adoptieren und helfen. Und Morgen vor einem Monat, am 26. September, haben wir die ersten 30 Kinder vorgestellt, um Paten zu finden. Denn nur mit Paten können wir die laufenden Kosten stemmen. Nur mit Paten hat es überhaupt einen Sinn, so etwas zu beginnen und erfolgreich zu betreiben.
Was ist seither geschehen?
  • mehr als 90 Kinder haben Paten
  • alle Kinder bekommen in Zukunft täglich ein Porridge zum Frühstück, dazu Banane und einmal pro Woche ein Ei
  • alle Kinder haben eine Schuluniform und Schuhe
  • es gibt für alle Klassen Tische und Bänke, für die Kleinsten bunte Sessel
  • für alle Kinder wurden die Bücher für das kommende Schuljahr bestellt
  • alle 8 Lehrkräfte sind bei uns angestellt und versichert
  • für alle Kinder, für die die Eltern bereits die Geburtsurkunde gebracht haben, gab es bereits die Krankenversicherung, wir hoffen, bis Jahresende haben wir alle erfasst
  • das geschenkte Grundstück wurde mit allen Papieren rechtlich an uns übertragen und bereits die ersten Schritte eingeleitet, die Schule dann staatlich registrieren zu lassen
  • ein Mietrückstand von 5 Monaten plus Zahlung bis Jahresende wurde abgewickelt und so konnte eine Delogierung abgewendet werden
  • durch die Familienbesuche, die wir gerade unternehmen, und die überwältigende Hilfe durch die Paten, werden wir es schaffen, dass bis Jahresende alle Kinder in einem Bett unter einem Moskitonetz schlafen
  • Morgen beginnt auf dem Schulgrundstück die Rodung, der Zaun, das Einleiten von Wasser und nächste Woche der Spatenstich zur Toilettenanlage.
Ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber ich sage dazu – eine große Welle, wirklich. Danke euch allen so sehr für diese Hilfsbereitschaft.
We can, so we do!
Gabriela Vonwald und das ganze Harambee/Gapeka-Team

Schon von weitem liegt Kalksteinstaub in der Luft, alle Pflanzen am Weg mit einer weißen Schicht überzogen, erschöpfte Arbeiter am Strassenrand, viele LKW auf dem Weg oder soll es eine Strasse sein? Rechts und links wird Kalkstein abgebaut, die berühmten „coral blocks“, mit der hier alle Häuser gebaut werden. Knochenarbeit für erwachsene Männer. Ich weiß, irgendwo nicht weit, ist das Meer, aber alles um mich herum ist wie die Vorhölle und ich fürchte mich vor dem Augenblick, wo ich aus dem Auto aussteigen muss. Und hier soll eine Familie leben?

Ich erlebe seit 17 Jahren bei Familienbesuchen so einiges, viel Armut, familiäre Gewalt, verworrene Verhältnisse und immer leiden die Kinder. Aber wenigstens gibt es Bäume, Gras, Tiere, irgendwas, an dem das Auge sich ausruhen kann. Hier tun mir sofort die Augen weh, als ich das Auto mit den getönten Scheiben verlasse. Man wird von diesem gleißenden Weiß fast schneeblind, der Staub legt sich auf Nase, Augen, Lunge – auch nicht ungefährlich.

Und hier lebt sie also, die Familie von Evans, einem 10jährigen Buben, der täglich 8km Schulweg in Kauf nimmt, einfach weil er es nicht mehr ausgehalten hat, nicht lernen zu können. Und er ist Klassenbester. Er steht um 5 Uhr auf und ist um 8 Uhr in der Schule, das Gleiche abends zurück. Und er hält das durch seit Jahren. Wie groß muss der Wunsch sein, nein, kein Wunsch mehr, da hat jemand ein Ziel ganz fest vor Augen. Unglaublich für solch ein Kind.

Wir steigen aus und 6 Kinder kommen uns entgegen, dazu das Elternpaar, einen Säugling im Arm. Alle Kinder freundlich, aktiv, aber dennoch irgendwie mit der Umgebung verwachsen, keine Farbe in den Augen, zugedeckt mit Staub. Dazu ein kleines Steinhaus, als wir später hineingehen – da ist nicht. Und wenn ich nichts sage, dann meine ich das so. Eine Matte am Boden, fertig. Wo kocht die Familie, was spielen die Kinder, alles hier ist im Grunde menschenfeindlich. Sie besitzen nur das T-Shirt, das sie tragen, keine Spielsachen, nichts.

Wir versuchen bei diesem Besuch für Evans eine Lösung zu finden, wie wir ihm diesen unglaublichen Schulweg abkürzen können, Pastorin Riziki, die Schulleiterin, würde ihm erlauben, in ihrem Zuhause zu schlafen (die Frau besitzt selbst nichts als eine Matratze), wir kaufen ihm ein Fahrrad, Montag bis Freitag abends bei ihr, dann heimradeln.

Und ja, eine Lösung wäre das. Er freut sich, aber doch nicht so wirklich. Die Freude kommt nicht in seinen Augen an. Weil es eben nur eine Lösung für ihn ist, nicht für seine Geschwister.

Was also tun. Wir reden mit dem Vater. Michael vor allem, von Mann zu Mann. Wir werden einen Raum mieten in Tezo, das kostet ungefähr 10 Euro monatlich (falls der Papa hier sein Versprechen bricht, daran wird es nicht scheitern, dass wir es übernehmen). Und dann können 4 der Kinder in die Schule (drei sind noch zu klein). Betten werden angeschafft, zwei der beiden anderen Kinder haben sofort Paten gefunden, nur Amos sucht noch.

Und Evans wird sein Fahrrad dennoch bekommen. Er ist mein Held. Er hat nicht nur für sich selbst bewiesen, was Zielstrebigkeit heißt, er hat auch für seine Geschwister die Tür zur Bildung aufgemacht.

Gabriela Vonwald

Gestern haben wir – wie immer, wenn ich da bin – meinen lieben Freund, Seelenverwandten, Mentor, Lehrer, Mitgründer der Vonwaldschule, Mr. Richard Karani in seiner Familie in Tezo besucht.

Mr. Karani ist inzwischen schon recht alt, er ist leider Ende 2017 erblindet, aber er nimmt dennoch an allem Teil, ist interessiert und weiterhin der geistige Mittelpunkt.

Karani war, als ich meine ersten Schritte in Kenia setzte, noch „Projektmanager“ beim inzwischen ja nicht mehr existierenden Verein Asante und mir von denen als Begleitung zugewiesen. Daraus ist eine sehr intensive Freundschaft entstanden, nach einem Jahr haben wir uns beide von Asante getrennt und unser eigenes Ding gemacht, die Vonwald-Schule. Es war Karanis Weitblick, dass wir die Schule sofort registrieren haben lassen, dass wir als Dach darüber eine NGO gegründet haben, Karani hat die Mitglieder ausgesucht und nein, nicht nur seine Familie, sehr wohl hat er aber darauf geachtet, dass immer auch unterschiedliche „tribes“ – Stämme – vertreten sind. Irgendwann erkläre ich das mal genauer, warum das so wichtig ist. Selbst einige der alten Dienstverträge, die er aufgestellt hat, sind bis heute rechtlich ganz wunderbar. Auch dass wir alle Schulstufen in einer zusammengeführt haben und das als Gesamtkonzept durchdacht haben, hilft uns heute mit den neuen Schulgesetzen sehr. Und wie ich immer wieder sage, wir haben uns gegenseitig vertrauen müssen und haben das ohne wenn und aber getan. Weil ich ihn gegen Angriffe von Paten einmal massiv verteidigt habe, kam es auch schon mal zu Turbulenzen, Austritten, Gabi die Böse.
Genauso aber hat er mich immer und überall beschützt. Kein Vertrag, den er nicht so geschrieben hat, dass meine Interessen und Rechte berücksichtigt wurden, die Schule war ja bis 2017 mein Privateigentum. Selbst seinen Söhnen hat er nicht voll vertraut, Ausnahme Michael.
Von diesen Söhnen gibt es 6 plus die älteste Tochter Mathilda, verheiratet mit Sammy, der in Gapeka Schriftführer ist.
Es gibt Daniel und Elvis, nicht im Projekt, es gibt Charles, der für die gesamte Lagerhaltung und Kücheneinkauf zuständig ist, es gibt Simon, unseren Tischler, der die Berufsschule „Saidia“ leitet, es gibt Sifa, den total künstlerisch und sportlich talentierten Menschen, der dann bei uns auch mal alles schmückt und so nette Sportdressen designed, und es gibt Michael, den ich nicht vorstellen muss.
Und bei meinen Besuchen (die ich immer einbaue, wenn ich da bin), sind eben fast alle da, ein großes Hallo, Wiedersehensfreude, immer mehr Enkelkinder, ein tolles Essen (das ich natürlich im Vorfeld bezahlt habe, ich kann von keiner Familie in Kenia erwarten, dass sie das Geld ausgibt, so viele Menschen zu verköstigen). Und es gibt gute Gespräche.
Da seit der großen „Managementerneuerung“ im Vorjahr, zu der ich immer sage, ich hab mein Haus aufgeräumt, wieder Frieden herrscht, kommen auch immer weitere Mitglieder des Leaderboard dazu, einfach auch, um diesen großen Mann und ein wenig mich zu ehren und – wie alte Menschen das halt so tun – immer wieder von der Vergangenheit zu erfahren, wo Karani und ich stundenlang zu Fuß zu den Familien unterwegs waren, kein Internet, kein Auto, kein Bankkonto, nur Western Union. Nur grenzenloses Vertrauen in einander und ins Leben und in Gott.
Und irgendwie hat sich daran nichts geändert, jetzt öffnen wir gemeinsam eine neue Tür.
Und ich habe gestern deutlich gemerkt – dass wir die neuen Schule in Tezo bauen, dass jetzt sein Sohn Michael dabei sozusagen die Aufsicht übernimmt, dass es also wieder „Karani“ und ich sind – das macht etwas in der Gemeinde. Zum Positiven. Karani ist eine Lichtgestalt, dass die Menschen wissen, er und seine Familie sind es wieder, das macht alle glücklich und erzeugt Vertrauen.
Und für mich selbst heißt es immer wieder – ja, ich habe eine richtige Großfamilie in Kenia.
Gabriela Vonwald

 

Es war sooooo toll!!! Gabi sagt, ich muss gleich berichten, bevors ans Nachmittags-Programm geht, und dabei bin ich eigentlich noch total sprachlos. Dass man ein Lied für uns einstudiert hat, hat man uns ja schon verraten. Aber dieser Jubel war unglaublich und es ist so so schön, die Kinder richtig hautnah zu erleben. Nach den Fotos, den Datenblättern, den Hintergrundgeschichten, die ich im Kopf habe – jetzt quasi die 3D-Version. Und überall versucht man an „Mama Gabi“ ein „und Sarah“ anzuhängen, ganz entzückend, aber etwas seltsam, ein bisschen wie die „und Töchter“ in unserer Nationalhymne.
Die Mütter singen, es wird getanzt, natürlich gebetet, die Kinder haben Gedichte einstudiert, die Lehrer stellen sich kurz vor und selbst für mich ist in Gabis Rede die Aufzählung dessen, was in den letzten Wochen schon alles geschehen ist, einfach erstaunlich. Es muss den Menschen hier wie ein Wunder vorkommen und das spürt man auch. Und Gabi erinnert daher auch gleich alle daran – sie sind mitverantwortlich. Die erste Schuluniform wurde geschenkt, die nächste sollte von den Eltern finanziert werden, weil sie ja jetzt keine Schulgebühren mehr zahlen müssen. Und es liegt an ihnen, dass ihre Kinder lernen, dieses Geschenk zu erkennen, die Schule wertzuschätzen – ein Geben und Nehmen. Nächste Woche ist schon Spatenstich geplant auf dem neuen Schulgrundstück, das wir auch noch besichtigt haben. Ein wirklich großes Grundstück und schon jetzt sehe ich hier vor meinem inneren Auge Gebäude stehen, die zwei Klassentrakte, die Toilette, auch für Sport ist ausreichend Platz und irgendwann wird auch eine Küche mit Speisesaal entstehen. Und „irgendwann“ ist sicher schneller, als wir jetzt noch ahnen.
Wir lernen die Familie des Mannes kennen, der der Schule dieses Grundstück geschenkt hat, seine Hütte ist alles andere als in gutem Zustand, der älteste Sohn Evans träumt von einem ICT-Studium, die Familie kämpft wirklich und als dann alles beschlossene Sache ist – Evans geht nach Godoma, die älteste Tochter beginnt im Jänner an der Vonwald Schule in Form 3, die Kleinsten haben ja schon Paten,… hat dieser Mann Tränen in den Augen vor Glück. Schenken heißt nicht, eine Gegenleistung zu erwarten, das hat er auch ganz sicher nicht. Aber hätte er dieses Grundstück verkauft, wäre er alle Sorgen losgewesen, und so ist nun wirklich allen geholfen.
Gabi sagt, die Anfänge der Vonwald Schule waren genauso – die Kinder, die Eltern, der Jubel, ein (fast) geschenktes Grundstück, … und ich kenne die Geschichten über diese Anfänge ja in- und auswendig. Jetzt dabei sein zu dürfen, empfinde ich als großen Segen. Und Michael ist gefühlt noch einen Kopf gewachsen und ich weiß, er wird hier noch weiter über sich hinauswachsen. Er tritt mit dem Bau der Schule in die riesig großen Fußstapfen seines Vaters Richard Karani und ich bin überzeugt davon, dass er ihn und „mum“ – also Gabi – sehr stolz machen wird.
Sarah Eidler

In wenigen Stunden fliegen Sarah und ich wieder nach Kenia, im Koffer über 100 Briefe mit kleinem Inhalt unserer Paten und eine lange To-Do-Liste.

Wer am Sonntag Podcast gehört hat, der weiß ja, wie die Aufenthalte so in etwa ablaufen. Diesmal werden wir uns wohl ein wenig aufteilen, denn der größte Brocken werden die Familienbesuche sein, gleichzeitig gibt es aber unglaubliche viele Besprechungen, denn Oktober/November ist immer die Zeit, wo auch das Budget für das nächste Jahr diskutiert werden muss. Jetzt mit der neuen Schule kommen ja noch einmal viele Dinge dazu, die beachtet werden müssen.

Und ich hatte ja mal gesagt, dass ich die Familienbesuche für mich persönlich reduzieren will. Soweit die Theorie. Aber ich möchte es persönlich schaffen, möglichst viele der neuen Familien der Bright Academy zu besuchen, außerdem auch einige Familien von Kindern, die in externe Schulen gehen.

Warum überhaupt Familienbesuche, kann man nicht einfach mit den Kindern in der Schule plaudern?

Man kann sagen, meine gesamte Tätigkeit in Kenia hat mit Familienbesuchen begonnen, damals noch mit meinem guten Freund Mr. Karani, im Taxi und viel, viel zu Fuß. Bis heute ist mir das wertvoll, denn nur hier sehe ich den Hintergrund dazu, wie unsere Kinder leben, aus welchem Umfeld sie kommen, mit welchen Alltagsprobleme die Familien zu kämpfen haben.

Ich höre zu, schaue hin, umarme und nehme auf den Schoß. Und zeige den Menschen auch, dass ich nicht in einem Glaspalast irgendwo sitze, sondern zu ihnen komme. Sie können mich anfassen, ihre Sorgen vortragen, mir ihre Hütten zeigen. Und was ich oft scherzhaft sage, alles sehn – „ja, die lebt noch“.

Daher freue ich mich auch diesmal darauf besonders. Und gern nehme ich alle Paten dabei immer mit und erzähle in unserer Facebook-Patengruppe dann, was wir so alles gesehen und erfahren haben und was das jeweilige Kind dringend braucht.

Wer noch nicht Pate oder Patin ist – jetzt wäre ein richtig guter Zeitpunkt.

Gabriela Vonwald