Wir helfen behinderten Menschen
Genauso wie Krankheit ist eine körperliche oder geistige Einschränkung in jedem Land der Welt eine Herausforderung. Nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die gesamte Familie. Ich weiß hier definitiv, wovon ich rede, ist doch mein Mann seit fast 8 Jahren querschnittsgelähmt. Und nicht laufen zu können ist dabei das kleinste Problem.
In einem Dritte-Welt-Land wie Kenia kommen aber noch weitere Schwierigkeiten dazu. Gibt es bei den Folgen eines Unfalls – vom Auto erfasst oder bei der Kokosnussernte von der Palme gefallen (auch heute noch die häufigste Ursache für eine Lähmung) – wenigstens noch ein Grundverständnis, so ist eine angeborene Störung, von Downsyndrom bis Mikrozephalitis gleichzeitig sehr oft noch immer ein Stigma (an dem meistens der Mutter die Schuld gegeben wird). Auch Hexenzauber und der böse Blick wird häufig als Erklärung herangezogen und solche Kinder bringen Unglück über die ganze Familie. Bestenfalls werden sie geduldet, manchmal aber auch bis in die heutige Zeit hinein umgebracht oder ausgesetzt, was praktisch das Gleiche ist. Aber eine Förderung, medizinische Versorgung, Schule – Fehlanzeige.
Dabei gäbe es diese Hilfe durchaus. Man findet in Kenia sogar viele Schulen speziell für Kinder mit Behinderung, die größte an der Küste ist in Mombasa „Sahajanand“ mit mehr als 1000 Kindern. Auch wir haben dort eins unserer Mädchen, die jetzt bald schon maturiert. Und es gibt einige kleinere, alle immer Internat, mit hervorragender Betreuung, medizinischer Versorgung, Physiotherapie und spezieller Nahrung, falls notwendig. Und eigentlich kosten die sogar im Vergleich mit anderen Privatschulen erstaunlich wenig, weil sie eben gefördert werden.
Auch in Kenia gibt es einen Behindertenausweis, der einem viel Unterstützung ermöglicht. Ihn zu bekommen ist vergleichsweise einfach, in unserer Region wird er im Kilifi Hospital in der orthopädischen Abteilung ausgestellt, nach einer Untersuchung und kostenlos. Nur, für Menschen aus dem Hinterland, die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, auf Hilfe aus der Familie, keinen Rollstuhl besitzen, könnte es genauso gut auf einem anderen Planeten sein. Daher haben wir knapp vor Weihnachten noch das Ganze umgedreht, insgesamt 9 Ärzte engagiert und zu drei Gemeinden gebracht und dort über 300 behinderte Menschen untersuchen und registrieren lassen.
Bei Erwachsenen findet man neben Unfallfolgen noch immer viele, die als Kind unter Polio (Kinderlähmung) gelitten haben. Die Krankheit gilt erst seit 2014 in Kenia offiziell als besiegt, zum Vergleich, in Österreich 1980, in Deutschland 1992, in ganz Europa 2002. Downsyndrom findet man seltener, aber was mir persönlich relativ häufig auffällt, Kleinwuchs in Verbindung mit Mikrozephalie. Das Zika-Virus ist in Kenia nach wie vor aktiv, vielleicht eine Erklärung. Hier kenne ich einige Kinder in unmittelbarer Nachbarschaft, wo wir auch immer zu helfen versuchen.
Und was ebenfalls hilft – ein Rollstuhl. So viele Menschen besitzen keinen, werden von der Familie morgens aus der Hütte getragen, in den Schatten gesetzt und abends wieder herein geholt. Oder ziehen sich wenige Meter mit den Armen auf dem Boden vorwärts. Wie entwürdigend. Und wieviel Freiheit und Selbstbestimmung bringt da bereits ein Rollstuhl.
Gabriela Vonwald
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