Betty
Mein Betty-Kind!
Betty ist wohl das einzige meiner vielen persönlich gesponserten Mädchen, das ich nicht selbst ausgewählt habe. Ich wurde gewählt. Und bis heute bin ich mir nicht sicher, was damals eigentlich so genau passiert ist.
Ich habe 2009 bei meinen Familienbesuchen aus den Augenwinkeln eine Szene mitbekommen. Ein kleines Mädchen undefinierbaren Alters (heute weiß ich, sie war 5), hatte gerade einem doppelt so großen Buben gegen das Schienbein getreten und in die Hand gebissen. Eine Frau, offenbar die Mutter des Mädchens, schimpfte, großes Gezeter. Das Mädchen selbst – Haare, die vom Kopf abstanden, schmutzig, zerrissene Kleider, stand vollkommen ungerührt in der Mitte des ganzen Chaos.
Und dann trafen sich unsere Blicke, die Kleine setzte sich in meine Richtung in Bewegung und als sie vor mir stand, umarmte sie mich. Und zwar auf eine Art und Weise, als wollte sie sagen: „Da bist du ja endlich.“
Ich wollte diese rebellische Göre in meiner Schule, die gerade zu dem Zeitpunkt knapp ein Jahr bestand. Die Mutter kam und erklärte mir in recht gutem Englisch, dieses Kind sei unerziehbar, ob ich wüsste, was ich mir damit antun würde. Wusste ich nicht, war mir egal, ich wollte Betty.
Aber ja – Ärger gab es anfangs viel. Betty ließ sich nicht frisieren, also diese schön geflochtenen Zöpfchen – no way. Also wurde sie rasiert. Waschen, ebenfalls nicht einfach. Schuluniform, nach mehreren Versuchen. Nelly war meine Verbündete. Wir wussten beide, es wird nicht einfach, aber wir bekommen das hin.
„Betty, sit please“ – Betty stand auf. Betty machte, was sie wollte, aber – sie war unglaublich flott im Lernen. Und – immer wenn ich kam, war sie offen. Allem zugänglich, was ich ihr erklärte.
Damals wohnte ich noch im Hotel. Wenn Betty erfuhr, ich bin da, riss sie von zuhause aus, kletterte über den Zaun, spielte mit dem Security Katze und Maus und schlüpfte in mein Hotelzimmer.
Leider hatte die Mutter zwei Jahre später einen neuen Freund und übersiedelte 30km weg von unserer Schule, Betty musste mit. Aber – ich übernahm weiterhin das Schulgeld, auch in der neuen Schule. Und Betty übersprang zweimal eine Klasse.
Ich wohnte dann schon in meiner Wohnung, das gleiche Spiel. Betty erfuhr, ich bin da, sie riss zuhause aus, nahm sich ein Motorrad-Taxi und fuhr zu mir, einmal mit einem lebenden Huhn als Geschenk. Also machten wir einen Deal. Immer wenn ich da bin, hole ich sie für zwei oder drei Tage zu mir, sie kann bei mir schlafen, wir unternehmen was zusammen, dafür reißt sie nicht mehr aus.
Betty war inzwischen nicht mehr nach außen rebellisch, aber sie wusste immer, was sie wollte. Ließ sich nicht herum schubsen, konzentrierte sich auf ihre Pläne und aufs Lernen.
Ich nahm sie mit nach Zanzibar und in Buchshops, sie bekam Schwimmunterricht und wir sahen uns gemeinsam Youtube Videos an über das Planetensystem. Ich erklärte ihr Google, Wikipedia und die Welt des Lesens. Und Betty dankte es mit einem fast unstillbaren Hunger auf neues Wissen.
Und ich gab ihr das Buch von Ben Carson, das, wie sie sagt, ihr Denken veränderte. Inzwischen hat sie alle von ihm gelesen, seither steht fest, sie wird Neurochirurgie studieren.
Das ist Betty. Die Welt wird noch von ihr hören, da bin ich sicher. Für mich ist sie einfach ein kleines Wunder.
Und warum ich das hier erzähle?
Weil wir nicht anonym helfen nach dem Gießkannenprinzip. Weil jeder Pate, jede Patin, solch einer „Betty“ helfen kann.
Bitte übernehmt Patenschaften. Es warten ganz viele Bettys und ihre Brüder.
Gabriela Vonwald
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